The breath of the angels

Bis jetzt haben wir uns mit der Herstellung des Whisky-Destillats beschäftigt, haben sozusagen die Herausbildung einer reinen, weichen und formbaren Seele verfolgt. Nun aber muss diese Seele erwachsen werden und ihren starken und unverwechselbaren schottischen Charakter erwerben. Erst mit den Jahren im Fass wird diese Seele zum echten Schotten, sei es im Speyside, in den weiten Highlands, an den Ufern des Meeres, auf den Inseln oder auch in den Lowlands.

Alle erwerben ihre wunderbaren Besonderheiten in einem langen Prozess der Lagerung und der Ruhe, der Zwiesprache mit dem Holz des Fasses, welches seine ganz eigene Geschichte mitbringt, um uns letztendlich, wenn der Whisky goldgelb im Glase funkelt und während das Feuer im Kamin knackt von all dem zu erzählen, was er in dieser langen Zeit in seinen großartigen Körper aufgenommen hat. Harald Schmidt, unter Freunden auch als Auld Harry bekannt, hat es einmal auf einer Schiffsüberfahrt nach Schottland folgendermaßen formuliert: „Man trinkt ihn nicht nur durch den Mund, schmeckt ihn nicht nur mit Zunge und Gaumen, man riecht ihn auch mit der Nase und man hört ihn mit dem Ohr.“

Das hat durchaus für einige Heiterkeit gesorgt, hatten wir doch dem John Barleycorn schon reichlich zugesprochen, aber es mag doch mehr Weisheit dahinter stecken als man zunächst glauben mag. Nun, ich persönlich lausche dem Whisky nicht gerade mittels meiner Ohren, doch dafür umso mehr mit Mund und Nase – und meiner Phantasie …

Doch halten wir uns zunächst an die Fakten. Wenn das letzte Kapitel mit dem Spirit Safe endete, so sollte dieses damit beginnen, denn genau von dort aus bezieht er sein neues zu Hause für mindestens drei Jahre – das Fass für die Lagerung, welche wiederum in Schottland erfolgen muss, damit sich der Whisky Scotch nennen darf. So sieht es zumindest der Scottish Whisky Act vor, von welchem wir bereits gehört haben. Tatsächlich reifen die schottischen Single Malts jedoch zumeist viel länger, vor allem, wenn sie nicht gerade für Blends vorgesehen sind. Im Allgemeinen kann man in Schottland von einer minimalen Lagerungsdauer von sieben Jahren ausgehen. Sehr viele gute Single Malts haben zwölf Jahre ihres Lebens in ein und demselben Fass verbracht. Als eine höhere, auch preislich erkennbare Stufe werden oft Lagerungsdauern ab zwölf bis etwa 18 Jahre gehandelt. Noch länger gelagerte Whiskies kann man durchaus als Besonderheiten ansehen (auch vom Preis her sind sie gut erkennbar). Ob dieses auch tatsächlich in jedem Falle gerechtfertigt ist, sei hier erst einmal dahingestellt.

Die Fässer

Da gibt es durchaus recht vielfältige und einflussreiche Unterschiede. Zunächst greift wiederum zunächst das Gesetz, denn es schreibt Fässer aus Eichenholz vor. Das Eichenholz selbst bringt bereits einige chrakteritische Aromen mit. Zieht man zusätzlich in Betracht, dass so ein für den Whisky vorgesehenes Fass bereits ein gewisses Vorleben aufzuweisen hat, so kann man sich unschwer vorstellen, dass wir hier am Anfang eines sehr komplexen und spannenden Prozesses stehen, dessen Resultat nur eingeschränkt vorhersehbar ist. Traditionell verwendete man bevorzugt ausgediente Fässer aus Spanien, in welchen sich einst Sherry befand (oft Oloroso-Sherry). Da der Vorrat an diesen Fässern nicht mehr ausreichte, den Bedarf zu decken, griff man später auch auf andere Fässer zurück, hauptsächlich Bourbon Barrels aus den USA. In diesen Fässern wurde einst der amerikanische Bourbon Whiskey für mindestens zwei Jahre gelagert. Man kann sich vorstellen, dass diese Fässer dem schottischen Whisky einen weit strengeren Grundton verleihen als Sherry-Fässer. Was der Einzelne bevorzugt ist Geschmackssache und eigentlich nur in der Gesamtheit des Reifungsprozesses zu beurteilen. Es ist wie bei unseren Damen: nicht jeder steht das enganliegende Abendkleid. Manchmal sind es auch ausgewaschene Jeans, welche ihr Wesen am vorteilhaftesten unterstreichen und sie unwiderstehlich erscheinen lassen, ganz zu schweigen von unseren persönlichen Vorlieben …

Um noch einmal auf die Fasstypen zurückzukommen. Bei den Sherry-Fässern handelt es sich um die sogenannten Sherry-Butts oder auch die Puncheons mit einem Fassungsvermögen um die 500 Liter. Die Bourbon-Barrels fassen ca. 200 l, sind also knapp halb so groß. Daneben kennt man noch die Portwein-Pipes, welche auch schon einmal bis 600 l aufnehmen können. Na ja, und ganz kleine gibt es auch (Quarter, Firkin, Octave). Eine Sonderform sind die Hogsheads, welche 250 l aufnehmen. Sonderform deshalb, weil sie das Produkt einer Aufarbeitung von Bourbon-Barrels sind, wobei diese in der Cooperage mit Fassdauben aus neuem Eichenholz aufgearbeitet werden.

Speyside cooperage in Cragallachie Speyside cooperage in Cragallachie

Einen nicht ganz unwesentlichen Vorgang haben wir jedoch bisher nicht erwähnt. Das Destillat aus dem Spirit Safe kommt nicht ohne Begleiter in das Fass. Dieser Begleiter ist wieder einmal Wasser. Vor Abfüllung der Fässer wird das Destillat zunächst auf einen Alkoholgehalt von 63,5 % heruntergedünnt. Der Geschmack dieses Wassers leistet meiner Ansicht nach, weil eben nach der Destillation, noch einmal seinen kleinen Beitrag zum Geschmack des gereiften Getränkes. Mit aller Sorgfalt haben wir jetzt den zukünftigen Whisky in sein Bett gebracht, in welchem er die folgenden Jahre ruhen und Zwiesprache mit den Engeln halten kann.

Die nächste Frage aber ist, wo dieses Bett zu platzieren ist …

Die Warehouses

Exakt gelabelt mit Fassnummer, Abfülldatum und allen weiteren relavanten Informationen bekommen sie ihren Platz im sogenannten Warehouse, welches sich vorzugsweise auf dem Betriebsgelände der Distillerie befindet. Reicht die Lagerkapazität nicht aus, so kann das Lagerhaus aber auch in einiger Entfernung liegen.

Hier nun beginnt im milden Klima Schottlands eine sanfte Zwiesprache zwischen Holz und Whisky. In den wärmeren Sommermonaten dehnt sich der Whisky in die Poren des Holzes und nimmt so an den Eigenheiten seines Wirtes Anteil bevor er diese Flüstergeschichten bei seinem Rückzug in der kühleren Jahreszeit in sich aufnimmt. Auch von außen teilt die umgebende Luft ihren Duft und ihre Eigenart auf gleiche Weise dem Holz mit. Ein wahrer Vermählungsprozess, bei dem auch die Engel allgegenwärtig sind und ihren verdienten Anteil abbekommen möchten, den Angel’s Share. Er macht etwa 2 % Flüssigkeit pro Jahr aus. Die Verdunstung betrifft Alkohol und Wasser nicht gleichermaßen. Im Vergleich zum Alkohol nimmt die Verdunstungsrate des Wassers mit steigender Temperatur schneller zu. Je kühler es also ist, desto geringer ist der Wasseranteil im verdunsteten  Volumen. Bei nur wenig abnehmendem Volumen nimmt der Alkoholgehalt folglich ab und umgekehrt, wenn es wärmer ist, nimmt das Volumen bei nahezu gleichbleibendem Alkoholgehalt deutlich ab.

Nach Jahren der Reifung haben wir dann einen Schotten im Fass, der viel von seiner Heimat zu erzählen weiß, man muss ihm nur gut zuhören, mit all unseren Sinnen …

Finish

Die Altersangabe auf der Flasche, welche wir kaufen, gibt als Alter jene Zeit an, welche der Whisky auf diese Weise im Fass verbracht hat. In neuerer Zeit liest man auch manchmal die Angabe „Sherry finished“ oder „Port finished“. Dieses Finishing rechnet nicht mit zum Alter des Whisky’s. Es bezieht sich auf eine abschließende Umfüllung des gereiften Whisky’s auf einen anderen Fasstyp, worin er im Allgemeinen noch einmal ein halbes Jahr lagert. Der „Sherry finished“ wird dann aus einem Bourbon cask auf ein Sherry cask umgefüllt, der „Port finished“ auf ein Portweinfass. Eine Besonderheit wäre an dieser Stelle noch zu erwähnen, der sogenannte double wood, welcher mir beim Balvenie bekannt ist. Bei diesem Whisky erfolgt die Reife selbst in zwei unterschiedlichen Fässern, einem Bourbon cask und einem Sherry cask, so dass er die Noten beider Hölzer praktisch vereint.

Abfüllung

Schließlich bleibt nur noch die Abfüllung des Whisky’s auf Flaschen. Dabei wird er wieder mit destilliertem Wasser auf einen Alkoholgehalt von 40 bis 46 % verdünnt. Enthaltene Ablagerungen aus dem Fass werden mittels Zellulosefilter herausgewaschen. Er wird dadurch klarer in der Farbe. Allerdings gehen damit auch Aromen verloren, so dass man auch teilweise von dieser Filterung abgeht und einen gewissen Gehalt an Schwebeteilchen in Kauf nimmt. Man bezeichnet diese Whiskies als unchillfitered.

Die Abfüllung auf Flaschen erfolgt entweder in der Distillery selbst oder bei sogenannten Abfüllern. Bei den Distillery-Abfüllungen ist man bestrebt, den typischen Charakter des Whisky’s der speziellen Distillery auszuprägen. Das erreicht man unter anderem dadurch, dass der Whisky aus verschiedenen Fässern quasi komponiert wird. Dieses Verfahren nennt sich vatting. Dabei dürfen allerdings nur Wiskies ein und derselben Distillery verwendet werden. Als Alter des gevatteten Whisky’s ist das Alter der jüngsten Komponente anzugeben.

Die unabhängigen Abfüller gehen im Allgemeinen anders vor. Hierzu kaufen sie bestimmte Fässer von den Distillerien, teilweise schon während des Lagerungsprozesses, und ziehen den Whisky jeweils eines Fasses separat auf Flaschen ab. Diese Whiskies haben die Bezeichnung single cask. Oftmals wird der Whisky dann auch nicht auf 40 bis 46 % heruntergedünnt, sondern in Fassstärke, cask strength, abgefüllt.

 

← Die Herstellung des Destillats

↑ Whisky basics