Alte Distillerien – neue Whisky’s

Jeder weiss, dass der Whisky eine lange Vergangenheit hat, welche weit über die Epoche kommerzieller Vermarktung hinausreicht. Die viel ältere Seite des Whisky’s ist die Kunst des Destillierens. Abgesehen vom eigentlichen Brennvorgang, welcher reinweg chemischer Natur ist, spielen eben die Randbedingungen eine entscheidende Rolle, die einen guten schottischen Whisky zu dem machen, was er sein sollte. Und da hat sich viel getan im letzten Jahrhundert. Während zunächst die wirtschaftliche Effizienz eine dominierende Rolle spielte, gelangten in späterer Zeit auch wieder die verschiedenen Geschmacksnuancen zu einer Blüte, so dass heute mehr und mehr experimentiert wird. Die alten Distillerien mit der Erfahrung ihrer Betreiber sind also das Eine, die entstehenden Whisky’s das Andere.

Also begeben wir uns heute mal auf die Spur wirklich alter Distillerien und riechen und schmecken einmal, was dabei heute so herausgekommen ist. Unsere Kandidaten sind heute Glenturret, Glenlivet, Edradour und Tomatin.


Glenturret … ist die älteste produzierende Distillerie (seit 1763). Damals hieß sie gemäß einem Dokument von Sir Patrick Murray von Ochtertyre aus eben diesem Jahre noch Thurot. 1814 wechselte der Besitz der in Crieff befindlichen Distillery zu Thomas MacInnes, der sie in The Hosh Distillery umbenannte. Im Jahre 1828 wurden die Produktionseinrichtungen der Distillery durch ein Hochwasser des Turret komplett zerstört. Doch die Produktionsanlage wurde wiederaufgebaut und 1853 wurde der Hosh-Whisky in London gehandelt. Erst im Jahre 1873 wurde der Name Glenturret eingeführt. 1890 übernahmen die Brüder David und William Mitchell die Führung der Distillery. Deren Söhne führten sie weiter bis 1923. Aufgrund hoher Steuern und der Prohibition in der USA wurde die Distillerie unrentabel und die Produktion wurde eingestellt. Im Warehouse lagerten aber noch immer 96000 Gallonen Glenturret. Erst 1957 nahm Glenturret die Produktion unter James Fairlie nach über 30 Jahren Ruhe wieder auf. 1991 ging die Distillerie in die Hände der Highland Distillers Ltd. über und 2019 an die französische Lalique Group. 2020 startete Bob Dalgarno eine komplette Neuausrichtung des Whisky’s, auf welche man gespannt sein darf.


Glenlivet. Die Glenlivet-Distillerie ist deutlich jünger als Thurot und wurde „erst“ 1822 von George Smith im Tal des Livet gegründet. In diesem abgelegenen Tal war schon länger die Schwarzbrennerei zu Hause, so dass man die Kunst des Whiskydestillierens getrost auf ein deutlich früheres Datum schreiben kann. Obwohl 1822 die Distillerie noch nicht legal war, soll es sich George IV, König von England nicht nehmen lassen haben, auf einem Besuch der Speyside den schwarzgebrannten zu pobieren. Zwei Jahre später war George Smith einer der ersten, die eine Brennlizenz erwarben. Und um 1839 flourierten Produktion und Absatz in einem Maße, das sich George Smith als Partner Andrew Usher und seine Söhne aus Edinburgh dazuholte, um den beträchtlichen Absatz zu bewältigen. Die damalige Flaschenetikettierung als „USHER’S GLENLIVET“ ist beinahe legendär (Siehe auch unser Tasting 2022). 1871 übernahm John Gordon Smith die Distillerie von seinem Vater und setzte durch, dass ab 1884 nur Whisky aus seiner Distillerie die Bezeichnung oder den Zusatz ‚Glenlivet‘ enthalten durfte. 1922 kam dann die Weltwirtschaftskrise, welche auch viele Distillerien nicht überlebten. Trotz zeitweiligen Produktionsrückganges überstand ‚Glenlivet‘ auch diese Phase und eroberte 1933 nach der Prohibition den amerikanischen Markt und wurde 1950 auch international zum bekanntsten Sotch Whisky. 2010 übernahm Alan Winchester die Distillery und brach viele alte Traditionen. Auf der Homepage kann man lesen:

Bis heute führen wir die Vision von George Smith weiter, bei der es darum geht, mit Traditionen zu brechen, neue Maßstäbe zu setzen … . Wir setzen auf außergewöhnliche, einzigartige Fässer, Finishes und Zutaten …, um die Welt des Single Malt für alle zu öffnen.

Wir sind gespannt …


Edradour. Die Distillerie befindet sich unweit von Pitlochry, kurz vor der Mündung des Edradour Burn in den Tummel und bezeichnet sich selbst „As the last stronghold of traditional handmade single malt whisky from a farm distillery.“ Diese letzte Festung ist gleichzeitig auch die kleinste Distillerie Schottlands. Und es stimmt tatsächlich. Sie war einst eine illegale Farm-Brennerei, wie es viele dieser Art in der Region gab. Nach dem Excise Act von 1823 sahen die Farmer im lizensierten Brennen einen lukrativen Weg des Einkommenserwerbs. 1825 wurde daraufhin Edradour als Kooperative örtlicher Farmer gegründet. Und irgendwie ist sie das noch heute. Weil sie so klein ist, konnte sie das wirtschaftliche auf und ab, weit besser verkraften als große absatzorientierte Distillerien. Sie haben in ihrer Geschichte alle Irrungen und Wirrungen mitgemacht, vom einstmaligen Erfolgszuges der Blends über eine zeitweilige Eigentumsphase durch die New Yorker Mafia bis hin zu den heutigen neuen Ufern, welche wieder die ursprünglichen handcrafted methods kultivieren. So verwenden sie noch heute eine über 100 Jahre alte gusseiserne Mash Tun, einen ebensoalten Morton-Kühler für die Wort und 50 Jahre alte Washbacks aus Oregon-Pinienholz. Man könnte sagen „back to the roots“, aber es könnte auch heißen: „Reset! Und Fortführung der alten Handwerkskunst“.


Tomatin. Das Whisky-Brennen gibt es auch in diesem Teil Schottlands, bei Inverness an den Ufern des Findhorn Flusses ab etwa dem 18. Jhrh. Als die Highland Railway gebaut wurde, legte man den Endabschnitt 1892 durch Tomatin. Wahrscheinlich aufgrund der günstigen Transportverbindung wurde 1897 von John MacDougall die Tomatin Distillery gegründet. Allerdings wurde sie schon 1906 wieder geschlossen. Nicht für lange. 1909 erfolgte eine Wiederaufnahme des Betriebs durch die New Tomatin Distillers Company Ltd. Sie wurde stetig ausgebaut und weiterentwickelt bis zur Rezession von 1985. Viele Distillerien wurden aufgegeben. Tomation war damals die größte und effizienteste Distillerie Schottlands und sie war technologisch sehr modern. 1986 wurde sie übernommen von japanischen Investoren. Takara Shuzo ist noch heute der Haupt-Shareholder der Tomatin Distillery Co. Ltd. 1996 wurde J&W Hardie Ltd. Teil der Tomatin Group. Seither gehörten auch Blends zum Portfolio. Aber 2002 wurden dann viele nicht mehr benötigte Stills entfernt, um sich mehr auf Qualität zu konzentrieren, mithin, es wurden nur noch hochwertige Single Malts gebrannt anstelle der Massenproduktion von Blends.

Seit 2013 wird einmal im Jahr der Cu Bocan Single Malt bei Tomatin produziert.