The Dark Age
Das dunkle Zeitalter
Zeitraum bis ca. 8. Jhrh.
Diese Bezeichnung klingt natürlich sehr düster, riecht nach Blut, Mord und Totschlag, all dem, was wir aus unserem Leben zu eliminieren suchen.
Tatsächlich war etwa im 4. bis 8. Jhrh. die Herrschaftszeit von Königen im Allgemeinen recht kurz bemessen und wurde oft durch fremde Hand beendet, Krieg, Gemetzel, Totschlag. Doch worin lag die Ursache für diese Verhältnisse? Verweist man auf eine niedere Moral, so macht man es sich zu einfach. Es war eine andere Zeit und es herrschten völlig andere gesellschaftliche Verhältnisse, welche unsere Vorfahren auch anders sahen und beurteilten.
Ein ganz anderer Aspekt von Dunkelheit liegt im Mangel an historischen Aufzeichnungen aus dieser Zeit, welche sich auf den hier relevanten Lebensraum beziehen. Verbürgte Schriften kennen wir eigentlich nur von den Römern und aus deren Blickwinkel. Diese waren jedoch nie wirklich nach Schottland vorgedrungen und hatten sich im „Dark Age“ auch bereits wieder aus ganz Britannien zurückgezogen. Was bleibt sind überlieferte Mythen und teilweise darauf beruhende Aufzeichnungen, welche erst wesentlich später niedergeschrieben worden sind. Detailliertes Wissen ist uns somit nicht überliefert aber anhand der generellen Dynamik der Gesellschaftsentwicklung können wir uns, verbunden mit den überlieferten Mythen, eine grobe Vorstellung davon machen, was sich vor etwa anderthalb tausend Jahren auf dem Territorium, welches wir heute Schottland nennen abgespielt haben mag.
Vom Nomaden zum Siedler
Der Steinzeitmensch lebte in Sippen, welche sich in ihrer Mitgliederzahl wohl nicht wesentlich veränderten. Ihr Ziel bestand darin, nicht nur als Individuen sondern als Sippe zu überleben, was naturbedingt nicht immer einfach war. Man war den Wetterbedingungen ausgeliefert, welche oft zu unmittelbaren Hungersnöten führten. Jagdunglücke waren an der Tagesordnung, da schon einfache Verletzungen letztlich zu Krankheit und Tod führen konnten. Die Sippe wurde ständig dezimiert, oft noch bevor die Mitglieder das Zeugungsalter erreichen konnten. Auch Händel mit benachbarten Sippen um ertragreichere Siedlungsgebiete spielten bei mittlerweile sesshaften Siedlern sicher eine Rolle. Beginnt die Sippe aufgrund verbesserter Verwertungsbedingungen zu wachsen, so benötigt sie ein größeres Siedlungsgebiet. Die Konflikte mit benachbarten Sippen nehmen zu und die stärkeren setzen sich durch. Dadurch werden einerseits die Verwertungsbedingungen besser, andererseits steigt auch der Bedarf an Nahrung, an Raum. Es vollzieht sich langsam eine Verbindung der Sippen zu Stammesverbänden, welche aufgrund geographischer Gegebenheiten auch lokal getrennte Siedlungsgebiete bevölkern, da das ursprüngliche Siedlungsgebiet zu eng geworden ist und nicht mehr alle ernähren kann. Der Stammeszusammenhalt gewährleistet jedoch die gegenseitige Unterstützung im Falle von Konflikten mit fremden Stammesverbänden.
Kriege der Antike
Dieser Situation begegnen wir im nordeuropäischen Raum etwa um einige Jahrhunderte vor Christi. In den folgenden Jahrhunderten nimmt dieser, der Entwicklung notwendiger Weise innewohnende Expansionsdrang stetig zu. Die in dieser Entwicklung fortgeschrittensten Stämme der Antike und Persien stellten ein gewaltiges Machtpotenzial dar und waren dem Entwicklungsstand in Nordeuropa um einige Jahrhunderte voraus. Hier hatte dieser innere Druck bereits zu gewaltigen Expansionen geführt (Trojanischer Krieg, Perserkriege, Alexander der Große, usw.).
Nordeuropa und die Völkerwanderung
Nordeuropa erreichte die erste Phase dieser kritischen Entwicklung etwa um 200 n.Chr., als die ursprünglichen Siedlungsgebiete ausgedehnt werden mussten. Vordergründig wurden jedoch keine Raubkriege geführt. Vielmehr befanden sich große Stammesteile bis hin zu Stammesverbänden auf der Suche nach neuem Siedlungsraum. Vor allem auf dem europäischen Festland begann eine Zeit der Völkerwanderung, die ihren Höhepunkt vor allem im 5. und 6. Jhrh. n.Chr. hatte.
Für die einzelnen Besiedlungsvorgänge gibt es kaum belastbare historische Belege. Es ist aber gut vorstellbar, dass es sich in der Art eines Migrationsprozesses vollzog. Eine größere Bevölkerungsgruppe mit ihrer eigenen Kultur und ihren Traditionen siedelt in ein schwächer besiedeltes Gebiet ein und beansprucht natürlich auch die vorhandenen Ressourcen. Was auf diese Weise zumeist relativ friedlich beginnt, artet naturgemäß in eine Vielzahl zumeist kleiner, zuweilen aber auch heftiger Händel und kriegerischer Auseinandersetzungen aus. Im Allgemeinen geht das mit einem Rückgang der ansässigen Kultur und der zunehmenden Überlagerung der neuen Kulturen einher. Auch die Ausbreitung der Kelten in Europa ist in diesen Vorgang eingeschlossen.
Der Drang auf die britischen Inseln
In Britannien sind Ausläufer dieser Prozesse durch die Einwanderung von Angeln und Sachsen spürbar, begünstigt durch den Rückzug römischer Verwaltung von der britischen Insel. Die ursprünglichen Britonen wurden dabei vorwiegend nach Westen aber auch nach Norden hin abgedrängt, wo sie sich offenbar nur wenig und eher im Grenzgebiet mit den von den Römern als Picti bezeichneten einheimischen Stämmen vermischten. Man könnte sich vorstellen, dass diese Vermischung insbesondere im Raum Strathclyde bis hinein in die schottischen Lowlands stattfand. Die Highlands blieben hiervon, möglicherweise wegen der harschen Natur des Siedlungsraumes weitgehend unberührt.
Die geografische Region Irlands und die Expansion auf die Inseln
Auch die Geschichte und Kultur Irlands muss man sich in diesen Gesamtprozess einbezogen denken. Offenbar wurden die dort ansässigen einheimischen Stämme über längere Zeiträume von keltischen Siedlern, möglicherweise auch in sogenannten Wellen „infiltriert“. Über die Jahrhunderte hinweg könnte der kulturell keltische Einfluss dominierend geworden sein. Natürlich machte auch hier das unablässige Drängen nach einer Erweiterung des Siedlungsraumes nicht halt.
Im 3. Und 4. Jhrh. n.Chr. war Irland in zahlreiche Stammesgebiete untergliedert, welche nun ihrerseits jeweils nach Behauptung und Erweiterung ihres Siedlungsraumes drängten, ja rein wirtschaftlich einfach drängen mussten. Aufgrund der Nähe, der guten Erreichbarkeit über den kurzen Seeweg und wahrscheinlich auch wegen des zu erwartenden geringen Widerstandes der ansässigen Siedler waren die nahen Inseln und Halbinseln des nahen Festlandes der schon fast vorgezeichnete Weg. Die Stammeskönige konnten ihren Abkömmlingen und deren Familien kein anderes Land mehr zuweisen und so verstärkte sich wohl die Besiedlung und, wenn nötig auch gewaltsame Machtübernahme in diesen nahen Siedlungsräumen, welche die damaligen Bewohner der irischen Insel offenbar nicht einmal als fremd beherrschtes Territorium ansahen. Möglicherweise bezeichneten sie zu jener Zeit dieses ganze, nicht zur irischen Heimatinsel gehörige Gebiet mit dem Namen Alba.
Die Scots
Die Bezeichnung scoti stammt von den Römern, die so bezeichneten Menschen haben sich selbst, ebenso wie die picti, nie so genannt.
An der Nordostküste Irlands stehend legt ein Blick auf die Karte nahe, dass aufgrund geringer Entfernung frühe Migrationsräume die Insel Islay und die Halbinsel Kintyre gewesen sein dürften (vom Nordosten Antrims zur Südspitze von Kintyre sind es gerade einmal 20 km).
Gesicherte, schriftlich fixierte Zeugnisse gibt es aus dieser Zeit praktisch nicht. Man kann sich jedoch vorstellen, wie es sich im Gesamtzusammenhang des historischen Prozesses vollzogen haben könnte und dieses mit den alten Legenden und Mythen verbinden ohne diese allzu wörtlich zu nehmen.
Spätestens Ende des 3. Jhrh. brodelte es mehr und mehr auf der irischen Insel, insbesondere im Norden, den zu jener Zeit der Clan der Ui Neill beherrschte. Die einzelnen Stammesverbände mussten ihre Siedlungsräume ausdehnen und behaupten und trafen folgerichtig im Interessenkonflikt aufeinander.
In Bezug auf die Besiedelung des heutigen Schottlands sind insbesondere diese Geschehnisse im Norden von Interesse, betreffen also vor allem das damalige Königreich Ulaidh (engl. Ulster) mit dem Königssitz in Emain Macha (bei Armagh). Sowohl interne Händel unter den Clans als auch der Druck von außen (z.B. Connacht im Westen) verstärkten sich. Anhand der mythischen Überlieferungen kann man vermuten, dass dies Mitte des 4. Jhrh. zu einem Höhepunkt gekommen sein muss. In der Folge zerfiel der alte Königssitz Emain Macha vermutlich um etwa 330 AD (verschiedentlich alternative Datierung um 450 AD).
Die Clans der Ui Neill zerfielen in einen nördlichen und einen südlichen Zweig. Es bildete sich mit Airgialla ein neues Herrschaftsgebiet zwischen nördlichen und südlichen Ui Neill heraus und der Herrschaftsbereich der Ulaid wurde in den Nordosten der Insel zurückgedrängt (siehe auch die Legende The Three Collas). In Bezug auf Schottland sind hier hinwiederum die nördlichen Dynastien in Antrim von Bedeutung, Dal Riata (der Teil der Riata), was wohl gleichbedeutend ist mit Corcu Reti (Leute des Reti) oder zumindest auf die gleiche Bevölkerungsgruppe verweist. Der Name Dal Riata existierte also bereits vor der Hauptbesiedlungswelle Schottlands durch die Scots und lässt darüber hinaus vermuten, dass es vor allem Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe waren, welche sich auf den nördlichen Inseln bereits weit vor dem 5. Jhrh. niederließen, zumindest mit der Verdrängung von Ulaid an die Nordostküste, wahrscheinlich aber auch schon Ende des 3. Jhrh.
Dies scheint sowohl aus Sicht der hier dargestellten Entwicklungsdynamik als auch aus mythologischen Elementen durchaus wahrscheinlich. Zieht man weiterhin in Betracht, dass die mythologischen Quellen durchweg irischen Ursprungs sind, so verwundert es nicht, dass ihnen auch eine irische Sicht der Machtverteilung zugrunde liegt. Dieses Machtzentrum lag bis etwa zum 5. Jhrh. eindeutig noch in Irland. Dal Riata war ein kleiner, vielleicht nicht einmal bedeutender Teil von Ulaid. Nach ihrer Einengung auf den Nordosten liegt es nahe, eine verstärkte Suche von Siedlungsräumen außerhalb Irlands, also in ganz Alba zu unterstellen.
Vergleicht man mit dem Senchus fer nAlban, so kann man, freilich etwas willkürlich, den Anfangspunkt der größeren Besiedlungswelle bei Eirc, dem König von Dal Riata bis 474 AD setzen. Demnach gingen von seinen drei Söhnen Fergus, Loarn und Oengus drei große Cenels (Stammesverbände, mithin Siedlergruppen) aus, welche ihre Unternehmungen möglicherweise nicht einmal gleichzeitig starteten. Dagegen ist es sehr wahrscheinlich, dass zunächst die am nächsten gelegenen Ufer angestrebt worden sind. Dies berücksichtigend kann man die Vermutung anstellen, dass zunächst die cenel Oengusa die Islay angestrebt haben und die cenel Gabrain, abstammend von Fergus Mor, Kintyre, von wo sie sich weiter über das Küstenland ausbreiteten. Legt man dies zugrunde, so erscheint es plausibel, dass weitere, spätere Siedlergruppen die entfernteren Inseln zum Ziel hatten. So ist anzunehmen, dass die cenel Loarn zunächst die Inseln nördlich Islay besiedelten und sich von dort aus auch über das Festland nördlich Oban ausbreiteten, so dass der Siedlungsraum der Leute von Dal Riata die Bezeichnung Earra Gaidheal (Küste der Gälen) erhielt, schottisch Argyll (→Genealogie von Dal Riata).
Diese Siedlergruppen, von den Römern als scoti bezeichnet, standen zunächst unter irischer Königsherrschaft und ihre Handlungsfähigkeit bedurfte der Zustimmung irischer High-Kings. Aufgrund zunächst geringen Widerstandes erhöhte sich jedoch auch deren Selbständigkeit und damit Macht. Die Dal Riata wurden in Argyll zu einem der bestimmenden Machtfaktoren. Letztlich lösten sich die cenel nGabrain von irischer Vormundschaft und wuchsen zur führenden Dynastie in einem eigenständigen Königreich Dal Riata. Aedan mac Gabrain ließ sich 574 AD von Columba zum König von Dal Riata mit dem Herrschaftszentrum in Dunadd krönen (→Columba und Druim Ceit). Von diesem Zeitpunkt an treten sie verstärkt in die sich entwickelnde schottische Historie ein. Einen Höhepunkt als Machtzentrum Dal Riatas erreichte Dunadd offenbar im 6. und 7. Jhrh. währenddessen von dort aus wohl eine Hochkönigschaft auch für die nördlichen Scots der cenel Loarn und der cenel Oengusa auf der Islay ausgeübt wurde. Doch dies war erst der Anfang eines langen Prozesses des Hineinwachsens gälischer Kultur, Tradition und Macht in das später als Schottland bezeichnete Territorium.
Ausbreitung der gälischen Dynastien in Alba
Nun griffen auch die gälischen Siedlerverbände in das Ringen um Macht und Ressourcen auf dem Mainland ein, was bislang zwischen piktischen Clans, Britonen (Strathclyde) und Angeln (Northumbria) ausgetragen worden war. Insbesondere wurde auch das Gebiet von Strathclyde Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen zwischen den Britonen, Nordumbriern, Pikten und den mehr und mehr aus Argyll vordringenden Leuten von Dal Riata. Wenngleich hierzu nichts Sicheres überliefert ist, kann man durchaus vermuten, dass hierbei auch innere Zwistigkeiten in den einzelnen Stammesverbänden eine nicht unwesentliche Rolle spielten. Im Süden hatte sich beispielsweise die cenel Comgaill (ebenfalls Enkel von Fergus Mor) von der seinerzeit in Dal Riata dominierenden cenel Gabrain abgespalten und ihren Weg zunächst in Richtung Cowal fortgesetzt, um wohl eigene Machtpositionen zu erlangen. Dabei trafen sie natürlich auf britonische und piktische Ansprüche und könnten auch durch Heirat Zweckbündnisse eingegangen sein.
Die große Besiedlungsphase Albas durch die Scots, welche man vielleicht auch als einen Teil der großen Völkerwanderung ansehen kann, war somit spätestens Ende des 6. Jhrh. zu einem Ende gekommen. Was sich nunmehr abspielte, waren Auseinandersetzungen um Machtansprüche über die einzelnen Territorien. Eine Wanderung der jeweiligen Siedlergruppen ebbte offenbar ab. Es ging nunmehr vornehmlich um die Machtverteilung unter den Clans bzw. deren Oberhäuptern, den eingewanderten Scots und den alteingesessenen Picts, Britonen und Nordumbriern bis hin nach Wales (Gwynedd) und dem südlichen England (Mercia, East Anglia). Und damit begann eine Phase der Vermischung vor allem unter den machtausübenden Dynastien. Nunmehr waren Allianzen an der Tagesordnung, teils durch temporäre Kampfbündnisse, teils auch durch Heiraten zwischen den Familien der Stammesfürsten. Es vollzog sich ein Kampf um territoriale Machtansprüche, wie er auch im übrigen Europa bis ins späte Mittelalter hinein typisch war.
Als eine erste deutliche Zäsur könnte man die Schlacht bei Degsastan um etwa 603 AD ansehen. Im Bestreben, entweder seine Macht zu erweitern oder sich gegen Northumbria zu behaupten, rückte Aedan mac Gabrain offenbar bis in den bernicischen Machtbereich vor. Das nordumbrische Bernicia hatte gegen Ende des 6. Jhrh. eine Vormachtstellung in Nordengland inne, welche weit in das ursprünglich piktische Teritorium hineinreichte. Bei Degsastan (genaue Lage unbekannt, vermutlich bei Liddlesdale) wurde die zahlenmäßig wohl deutlich überlegene Streitmacht Aedans vom Heer des bernicischen Königs Ethelfrith vernichtend geschlagen. Die Position der Nordumbrier war damit gefestigt, das Vordringen dalriadischer Macht auf kriegerischem Wege gen Osten hingegen entscheidend und laut Bede (130 Jahre später) endgültig gestoppt.
Verschmelzung der Dynastien
Zur Sicherung eigener Stärke wurden immer wieder Allianzen geschmiedet, welche bevorzugt durch Heirat zwischen den Königshäusern der Kleinkönige gesichert wurden. Dabei spielte es offenbar keine Rolle mehr, welchen Völkergruppen die jeweiligen Seiten angehörten, wenn somit die Machtposition des eigenen Clans gestärkt werden konnte. Ein markanter Schauplatz jener Zeit scheint das Territorium von Strathclyde gewesen zu sein. Es wurde wohl ursprünglich von den Alt Clut beherrscht, hatte aber wohl weitreichende Verbindungen mit den piktischen Clans im Norden und war offenbar weithin als eine gewisse Oberhoheit bei den piktische Clans akzeptiert. Um 600 AD spielte der König Beli als König der Alt Clut wohl eine bedeutende Rolle. Über ihn selbst ist wenig bekannt, doch spielte er auch für das Geschehen in Fortriu wie im gesamten umgebenden Raum keine geringe Rolle. Dabei hatte er sich mit den aus England vordringenden Britonen, den auch westwärts agierenden Nordumbriern unter Oswig und den Machtbestrebungen von Dal Riata auseinanderzusetzen. Sein Sohn Bridei war letztlich ein Cousin seines Widersachers Ecgfrith von Northumbria.
Einen nächsten, gravierenden Meilenstein setzte die Schlacht bei Dun Nechtain (Nechtansmere) im Jahre 685 AD. Die piktischen Nachbarn im Norden waren offenbar immer weniger gewillt, sich den Interessen der nordumbrischen Herren unterzuordnen. Immer öfter kam es zu Händeleien, in denen sich die Clans nicht dem Willen Northumbrias unterordneten. Mit dem Ziel der Bewahrung des von seinem Vater Oswig geerbten Imperiums zog der nordumbrische König Ecgfrith mit beachtlicher Streitmacht gegen seinen Cousin und verturionischen König Bridei mac Beli, um seinem wohl von den piktischen Stammesverbänden unter der Vormacht von Fortriu ungenügend berücksichtigten Herrschaftsanspruch Nachdruck zu verleihen. Doch es kam völlig anders. Strategisch unzureichend vorbereitet, wurde seine Streitmacht von den Männern von Fortriu desaströs aufgerieben und zerschlagen. Dem weiteren Vordringen nordumbrischer Machtansprüche auf piktisches Territorium war damit nachhaltig Einhalt geboten worden. Die Machtpositionen von Fortriu und mithin der piktischen Clans insgesamt wurden immens gestärkt.
Doch was passierte in den folgenden Jahrzehnten bis 741 AD als eine verturionische Streitmacht Kintyre verwüstete und Dunadd, den Königssitz Dal Riata’s zerstörte? Es ist nichts bekannt von Schlachten in einer Größenordnung von Degsastan oder Nechtansmere. Dies bedeutet aber nicht, dass sich ein rundum friedliches Nebeneinander entwickelt hätte. Im Gegenteil, es wurden offenbar sogar sehr viele kleinere und eher lokale Händel zwischen den benachbarten Kleinkönigen in kriegerischen Auseinandersetzungen ausgetragen. Es vollzog sich mithin eine mannigfache Verquickung der Königshäuser von Pikten, Gälen, Nordumbriern und Britonen. Im Grunde ist dies schon das Vorfeld der Herausbildung des schottischen Gemeinwesens.
Nach dem Sieg bei Dun Nechtain war Fortriu unter Bridei map Beli zu einem bedeutenden Machtfaktor auf piktischem Territorium und an der Ostgrenze Dal Riatas geworden. Es wäre vorstellbar, dass dies vom Königshaus der cenel Comgaill, welche wohl am weitesten in piktischem Territorium seßhaft waren und eher geringen Einfluss in Dal Riata hatten, als Chance gesehen wurde, ihre eigene Machtposition zu stärken, indem sie Fortriu gewissen Beistand leisteten. Jedenfalls kam es zu einem ehelichen Bündnis durch Heirat des Dargart mac Finguine aus dem Hause der Comgaill mit Der Ilei aus dem Hause des Bridei map Beli. Spinnt man diesen Faden weiter, so ist zunächst Nechtan mac Der Ilei zu erwähnen, welcher aus dieser Ehe hervorging. In den alten Annalen wird Oengus als Nechtans Gefährte erwähnt, dessen Herkunft nicht recht klar ist. In irischen Genealogien wird er als Mitglied der Eóganachta of Munster, als Nachfahre von Coirpre Cruthnechán oder „Cairbre the little Pict“ aufgeführt, womit sich für mich ein Kreis zu schließen scheint. Wäre es nicht denkbar, dass hier eine verwandtschaftliche Verbindung zunächst nach Munster in Irland und dann wieder hinüber in den Machtkampf in Alba als Katalysator wirkte? Wie gesagt, es ist nichts auch nur annähernd belegt, aber es würde in den Strudel der damaligen Zeit wohl passen.
Die obige Darstellung geht in erster Linie von mir plausibel
erscheinenden Vermutungen aus und erhebt keinen Anspruch auf
wissenschaftlich gesicherte Schlußfolgerungen. Sie ist, so gesehen,
mit aller Vorsicht zu genießen. Andererseits soll sie eine über-
greifende Vorstellung von den verwickelten und wenig dokumentierten
gesellschaftlichen Vorgängen jener Epochen vermitteln.
Zum Verständnis der historischen Vorgänge in Nordengland und
Schottland vom 6. bis 8. Jahrhundert habe ich insbesondere Kredit
genommen von James E. Fraser:
James E. Fraser, "The Pictish Conquest",
Tempus Publishing Limited, 2006.
James E. Fraser, "From Caledonia to Pictland - Scotland to 795",
Edinburgh University Press, 2009.
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