Tam O’Shanter
Wenn Händler aus den Gassen schwinden,
Und durst’ge Nachbarn Nachbarn finden;
Ein langer Markttag ist beendet,
Derweil das Volk sich heimwärts wendet.
Indessen sitzen wir beim Stout
Und werden blau und ziemlich laut,
Wer denkt da an die Meilenstrecken,
Die Moore, Bäche, Brüche, Hecken,
Durch die es heimzukommen gilt,
Wo uns’re Alte sitzt und schilt.
Die Stirne zieht in finst’re Falten
um ihren Groll schön warm zu halten!
*
Das war’s, was Tam O’ Shanter dacht‘,
Als er von Ayr kam in der Nacht:
(Old-Ayr ! Es hat kein zweites Städtchen
So wack’re Männer, schöne Mädchen.)
*
O Tam ! Das war nicht wohl getan!
Was nahmst du guten Rat nicht an?
Oft sprach dein Weib, du seist zu locker,
Ein Schwätzer, Nichtsnutz, Kneipenhocker,
Das ganze Jahr, Juno bis Mai,
Die gleiche Markttag-Sauferei,
Warst du beim Müller Korn zu mahlen,
saß’t du solang du konntest zahlen,
Und wenn der Schmied dein Pferd beschlug,
Gleich leertet ihr ein Dutzend Krug‘,
Und nach dem Gottesdienst, am Sonntag,
Soffst du mit Kirkton Jean bis Montag !
Sie prophezeite, dass man bald
Dich fänd’ im Doon ganz steif und kalt,
oder durch der Warlocks Macht,
tot fänd, bei Alloway’s in dunkler Nacht.
*
Ach, werte Damen, ‘s ist ein Jammer,
Wie an den Rat in stiller Kammer,
Wie an die längsten, weisen Lehren
Der Frau’n die Männer sich nicht kehren!
*
Zurück zu Tam! In einer Nacht
Hat ihm sein Platz so recht behagt
Dicht an dem Feu’r, das Funken sprühte,
Bei schaum’gem Bier von selt’ner Güte
Und ihm zur Seite Schuster John,
Sein alter, durstiger Kumpan:
Tam war er wie ein Bruder teuer,
Seit Wochen zechten sie schon heuer.
Die Nacht flog hin bei Sang und Toben,
Das Bier ward immer mehr zu loben :
Die Wirtin tat an Tam sich schmiegen,
Da gab es Wonnen, süß, verschwiegen.
John ließ so manche Story krachen,
Laut scholl dazu des Wirtes Lachen.
Wild ließ der Sturm sich draußen hören,
Doch Tam vermocht’ er nicht zu stören.
Die Sorge sah’s, und rasend schier
Ersäufte sie sich flugs im Bier.
Wie Bienen heim mit Schätzen fliegen,
Floh’n die Minuten voll Vergnügen:
Tam schlug als Sieger aus dem Feld
Alle Übel dieser Welt!
*
Doch ach ! Die Lust ist wie der Mohn,
Kaum gepflückt so welkt er schon;
Und wie im Strom der weiße Schimmer
Des Schnees: er fällt und schmilzt für immer;
Und wie der Nordlichtstrahlen Pracht,
Die flammend zucken durch die Nacht;
Oder des Regenbogens Glut,
Hinschwindend vor der Stürme Wut.
Wer bringt den Strom der Zeit zum Steh’n ?
Es naht die Stunde: Tam muss geh’n !
*
Just um die finst’re Mitternacht
Ward ihm sein Gaul vors Tor gebracht,
Und eine Nacht war’s, wo zum Haus
Sich keine Seele wagt hinaus.
Es blies der Wind wie toll vor Wut,
Vom Himmel stürzte Flut auf Flut;
Den flücht’gen Blitz die Nacht verschlang,
Der Donner krachte laut und lang:
In dieser Nacht, ein Kind sah’s ein,
Musst’ unterwegs der Teufel sein.
*
Auf Maggie, seiner grauen Mähr —
‘ne bess’re find’st du nimmermehr —
Trabte Tam durch Schlamm und Pfütze
Missachtend Regen, Sturm und Blitze.
Bald drückt’ er fest die Mütz’ aufs Ohr,
Bald summt er sich ein Liedlein vor,
Bald späht’ er um sich, scharfen Blicks,
Ob Geister nahen hinterrücks.
Nicht fern die Kirche Alloway,
wo nächtlich tönt der Eulen Schrei.
Schon hatte Tam den Sumpf im Rücken,
Wo einst der Krämer musst’ ersticken.
Und auch den Stein im Birkenhag,
Wo Charlie Schnaps den Hals sich brach;
Auch durch das Dickicht ritt er mutig,
Wo man das Kind fand, tot und blutig;
Am Baum ist er vorbeigesprengt,
D‘ran Mungos Mutter sich erhängt.
Dort vor sich hört den Doon er brausen
Und durch den Wald den Sturmwind sausen.
Die Blitze zucken jählings, lohend,
Die Donner grollen unheildrohend,
Da schimmert durch der Bäume Kranz
Die Kirche Alloway im Glanz,
Aus jeder Ritze drang der Schein,
Der Schall von Tanzen, Jubeln, Schrei’n.
*
Wen du beseelst, John Barleycorn,
Der fürchtet nicht des Himmels Zorn!
Mit Bier im Kopf kommt uns kein Zweifel,
Mit Whisky trotzen wir dem Teufel!
Wild schäumt’ in Tammies Kopf das Bier,
Die Teufel all verlacht’ er schier.
Erstaunt war Maggie steh’n geblieben,
Bis sie, von Fuß und Hand getrieben,
sich zaghaft nähert diesem Licht
Und Oh, was kriegt Tam zu Gesicht!
*
Warlocks und Hexen sirren im Kreise
In wildem Tanz auf frivole Weise.
Ein Heer von schrillen Instrumenten
Treibt ihnen das Blut in Schläfen und Lenden.
Gar saß in Tiergestalt am Fenster
Der Fürst der Geister und Gespenster,
Als großer, zottig schwarzer Kater
Und spielte auf in dem Theater,
dass durch der bag-pipes schrillen Schalle
erbebt die ganze Kirchenhalle.
*
Rings sah man Sarg an Sarg gereiht
Und Tote drin im Sterbekleid,
In deren kalter Knochenhand
Hat — Höllenspuk !— ein Licht gebrannt.
Bei alledem sah Tam der kühne,
Auf dem Altar wie einer Bühne
‘nes Mörders Skeleton in schwerem Eisen,
Nebst ungetauften kleinen Waisen,
‘nen Dieb, geschnitten frisch vom Strick,
Mit off’nem Mund, verglastem Blick,
Fünf Äxte auch, die Blut gekostet,
Fünf Säbel, die vom Mord verrostet,
Ein Strumpfband, das ein Kind erstickt,
Ein Messer, das ein Sohn gezückt
Gegen seines Vaters Leben,
Noch sah am Heft man Haare kleben;
Und vieles andre, grässlich, gräulich,
Es nur zu nennen, ist abscheulich !
Drei aufgeschlitzte Advokatenzungen,
Von Lügen ganz und gar durchdrungen,
Drei Priesterherzen, schwarz wie Dreck,
Lagen stinkend in jeder Eck‘.
*
Lang starrte Tam dies Schauspiel an,
Als wilder noch der Tanz begann.
Der Piper spielte hell und heller,
Die Paare flogen schnell und schneller,
Sie sprangen, jagten, drängten, stampften,
Bis sie alle schwitzten und dampften :
Da rissen sie sich vom Leib die Kleider
Und tanzten im Unterhemde weiter !
Tam, O Tam, was war’n da heiße
Mädels in dem Hexenkreise,
Die Wäsche statt aus grauem Leinen
Schneeweiß vom Hals bis zu den Beinen.
Die Hosen hier, mein einz’ges Paar,
Schön blau einst und von Sammet gar,
Die gäb’ ich flugs mit frohem Sinn
Für einen Blick der Schönen hin !
Auch spindeldürre alte Weiber,
Verdammter Hexen ekle Leiber,
Hinsausend auf dem Besenstiel:
Ward’s deinem Magen nicht zu viel ?
*
Doch Tam war klar in Kopf und Leib:
Was war da für ein rassig’ Weib,
Heut Nacht erst ward sie eingereiht,
Einst kannte man sie weit und breit:
Denn Küh’ und Pferde schoss sie tot
Und bohrt’ in Grund gar manches Boot,
Soff Bier und Whisky wie kaum ein Mann
Und hielt das Land in Angst und Bann.
Ihr kurzes Hemd, ich muss es sagen,
Das sie als kleines Kind getragen,
Mit dessen Länge war’s so so,
Sie aber trug es keck und froh.
Nicht träumt’ es ihrem Mütterlein,
Als sie dies Hemdchen kaufte ein,
Dass auf dem Hexenball ihr Kind
Drin tanzen würde wie der Wind !
*
Doch meine Muse sei gezügelt,
Denn über’s Maß ward sie beflügelt,
Durch Nannie’s wilden Tanz und Sprung,
(Geschmeidig war sie, heiß und jung),
Tam stand verzaubert, feucht an Händen,
Und konnt’ den Blick nicht von ihr wenden.
Auch Satan funkelte mit glühend’ Augen
Und schnaufte als wollt’ er sie in sich saugen.
Ein wilder Satz, ein zweiter dann,
Nun war’s um Tam’s Verstand getan,
Er jauchzte: “Bravo kleine Miss! ”
Und im Moment ward’ Finsternis.
*
Kaum hatt‘ er sich auf‘s Pferd geschwungen,
So kam das Höllenheer gesprungen.
Wie Bienen aus dem Stocke brechen,
Den frechen Räuber zu zerstechen;
Doch gleich der Flucht des bangen Hasen
springt Maggie weg vor ihren Nasen;
Und wie vom Markt die Menge rennt,
Sobald der Ruf ertönt : es brennt !
So rast die Maggie, und hinterdrein
Die Hexenschar mit höllisch’ Schrei’n.
*
Ach Tam, zum Lohn für deine Taten
Wirst du nun in der Hölle braten !
Vergebens harret Kathy dein,
Dein Weib wird bald ‘ne Wittwe sein !
Nun, Maggie, lauf, so schnell du kannst,
Wenn du die Brücke nur gewannst,
Dann hebe stolz den Schweif empor,
Weil dort der Spuk die Macht verlor.
Doch eh’ die Brücke sie genommen,
War sie um ihren Schweif gekommen.
Denn Nannie, die voraus der Schar
Und hart auf Maggies Fersen war,
Verfolgte Tam mit wilder Wut.
Doch wilder noch war Maggies Mut :
Ein letzter Sprung — und Tam wär frei,
Doch sie verlor den Schweif dabei :
Die Hexe packt’ des Schweifes Rumpf
Und ließ der Maggie nur den Stumpf.
*
Wer immer die Geschichte liest,
Hab acht, damit du’s nicht vergisst:
Wann immer dich die Drinks verwirrn,
und Nannies sausen durch dein Hirn,
Ist solche Lust des Preises wert ?
Vergiss nie Tam o‘ Shanters Pferd !