Immortal Memory 2013
Bernd Horlbeck – Burns Supper 2013
Nun, meine lieben Freunde, jährt sich der Geburtstag des Mannes, der uns eine schier unerschöpfliche Fülle von Gründen geliefert hat, winters einen ganzen Abend lang fröhlich in einem warmen Zimmer zu sitzen, kräftigen Haggis zu verspeisen, alle nacheinander und später auch durcheinander zu reden und, immer, wenn wir nicht mehr weiter wissen, einen guten Single Malt zu trinken – und dafür auch noch, und zwar mit Recht, in Anspruch nehmen zu können, den Idealen eines großen Poeten zu folgen – zum 254. mal. Genau genommen war es gestern vor 254 Jahren, aber da selbst die Clansmen ein solches Procedere nicht länger als eine Nacht durchhalten, haben wir den Beginn auf heute verlegt.
Nun, eben dies hat Robert Burns so beliebt und berühmt gemacht: Der Stoff seiner Dichtung entstammt dem Leben und dem Alltag des einfachen Volkes, von den Lowlands bis zu den Highlands. Seine Hauptakteure sind die Tam O’Shanters, Souters, Millers und – vor allem die Lassies, auch jene im Cutty Sark. Und über allen Zeilen schweben deren Gedanken, Ängste, Wünsche, die Geister und Gespenster, die warlocks und witches und selbst Satan lässt Burns zuweilen die Bagpipes spielen.
Woher kommt das alles? Was hat dieses winzige Menschenkind, das 1759 in Alloway in den westlichen Lowlands das Licht der Welt erblickte zu einem Poeten, dem Poeten Schottlands gemacht? Natürlich gehört Talent dazu, aber es gehören auch Menschen dazu, die es erwecken. Und es spielen die Umstände eine Rolle, in denen der Mensch lebt, die allgemeinen, übergreifenden gesellschaftlichen, wie auch die kleinen, die privaten, familiären Verhältnisse.
Sein Vater William Burness war mit Sicherheit kein Dichter, aber ich stelle diese Behauptung hier in den Raum – er muss ein ausgesprochen großer Charakter und weit denkender Mann gewesen sein. Er kam ursprünglich aus dem Osten Schottlands, irgendwo zwischen Stonehaven und Montrose, so wie Colin, also aus der Region um Dunnotar Castle, was den Clansmen spätestens seit 2010 ein Begriff sein wird. Der Großvater, ebenfalls ein Robert Burness, hatte Clochanhill, ein Landstück im Dunnotar estate gepachtet, und zwar vom 10. Earl of Marishall, George Keith, welcher übrigens wegen seiner Beteiligung am Jakobitenaufstand von 1715 seinen Adelstitel aberkannt bekam und zum Tode verurteilt worden war. Er floh interessanter Weise nach Preußen zu Friedrich dem Großen und diente in der preußischen Armee. Auf Friedrichs Intervention bei der britischen Regierung erhielt George Keith 1759, im Jahre der Geburt von Robert Burns, seine Besitztümer zurück. Man verzeihe mir diese kleine Abschweifung, aber sie wirft vielleicht ein kleines Licht darauf, auf welche Weise sich die Schlaglichter der zu Robbies Zeiten der Vergangenheit zuzurechnenden Jakobitenbewegung über sein Elternhaus in sein Leben und sein Schaffen fortgepflanzt haben.
Die drei Söhne des Großvaters gingen, um sich durchzuschlagen, unterschiedliche Wege. William, der dritte und jüngste und sein älterer Bruder Robert verließen Clochanhill gemeinsam, Robert nach England und William nach Edinburgh, wo er eine Arbeit als Gärtner annahm. Der Zeitskale nach zu urteilen, muss dies kurz nach Culloden und dem DISARMING ACT von 1746 gewesen sein, mit welchem das Verbot des Tragens von Waffen, der Tartans und des Kilts und auch des Spielens der Bagpipes einherging. Die beiden Brüder sollen jedenfalls Tränen in den Augen gehabt haben und sie blickten mehrfach zurück als sie sich trennten. Sie sahen sich im Leben nie wieder.
William arbeitete hart und schickte von Zeit zu Zeit etwas Geld nach Clochanhill zu seinen Eltern. Nach einigen Jahren wandte er sich von Edinburgh nach Westen, wo er sich günstigere Lebensumstände erhoffte. Aber er wurde enttäuscht. Unter verschiedenen Herren suchte er, sich das notwendigste Geld zu verdienen. Schließlich pachtete er sieben Acres Land nahe der Bridge o‘ Doon. Dort baute er mit seinen eigenen Händen das „Old Clay biggin“ (Das alte Lehmhaus). Kurz vor Weihnachten 1757, am 15. Dezember, führte er seine Braut Agnes Brown in das künftige gemeinsame Heim. Agnes hatte helles rotes, ins gelbe tendierendes Haar und sanfte dunkle Augen. Sie hatte ein poetisches Temperament und ihre Erinnerung war voller Balladen und Lieder und sie sang mit Hingabe und feiner Stimme. Als sie heirateten war sie 26 und William 31. Es war eine einfache und bescheidene Hochzeit. Doch später sagte man: Liebreiz, Feinsinn und Verständnis seitens Agnes vereinigten sich mit starkem Intellekt und hohen moralischen Prinzipien des Vaters, oder in den Worten von Gerald Massey:
“See Strength and Beauty, hand in hand,
Step forth into the golden land.“
Aber es war kein goldenes Land. Es war ein ehrliches, einfaches Heim, eine Hütte, in der harte Arbeit durch Liebe versüßt und Liebe durch harte Arbeit belastet wurden und in der 13 Monate später ein kleiner Junge das Licht der Welt erblickte. Das Wetter soll nicht golden, sondern eher katastrophal gewesen sein, mit Gewittern und Regenfluten, dass Gilbert Burns, Roberts jüngerer Bruder, hierzu später schrieb:
„That day, a child might understand,
The Deil had business on his hand.“
Was sich sehr nach Tam O’Shanter anhört und sicher auch so gemeint ist, denn Gilbert selbst war zu Roberts Geburt ja noch gar nicht auf der Welt. Immerhin stürzte ein Tragbalken des Hauses nieder und hätte den jungen Robert, dem das Leben gerade erst geschenkt worden war, ohne einen einzigen Vers aus dem Leben befördern können. Seine Eltern konnten ihn jedoch für eine Woche in die sichere Obhut eines Nachbarn geben.
Die Familie lebte nun in Alloway, im Gebiet von Ayrshire, im Südwesten Schottlands – in den Lowlands also. Einen kleinen, aber offenbar nicht unwesentlichen Lichtfunken auf seine frühe Kindheit wirft eine geschilderte Szene, in der er an seines Vaters Seite vor dem flackernden Feuer sitzt und den Balladen und Geschichten einer alten Frau, einer gewissen Betty Davidson lauscht, offenbar eine Verwandte der Burness‘ und welche, wie Wandering Willy in „Redgauntlet“ sagt, sie hatte:
„some fearsome anes, that mak the auld canines shake in the settle, and the bits o’ weans skin on their minnies out frae their beds.“
oder anders ausgedrückt, sie konnte so grausige Geschichten erzählen, dass sich dem dahindösenden Hund am Herd das Nackenhaar aufstellte und die Kleinen in ihren Betten eine Gänsehaut bekamen. Ihre also recht unheimlichen Geschichten weckten in Robert die Elemente des Wundersamen und der Poetry und die Faszination mag so manches mal über die Furcht triumphiert haben.
Als Robert sechs Jahre alt war, gab ihn sein Vater in eine kleine Schule in Alloway Mill zum Unterricht bei einem gewissen Campbell, der aber nicht lange dort blieb. Daraufhin tat sich Vater William mit einigen Nachbarn zusammen und sie stellten einen gewissen John Murdoch als Lehrer ihrer Kinder an, was sich offenbar von Vorteil erwies. Dieser war ein aufrichtiger Mann und gab ihnen, was er vermitteln konnte. In dieser Zeit las Robert „Das Leben des Hannibal“ und „Das Leben des Sir William Wallace“. 1766 verließ die Familie Alloway und mietete die kleine, zwei Meilen entfernte Farm „Mount Oliphant“. Doch John Murdoch blieb Roberts, Gilberts und der anderen Kinder Lehrer noch für zwei weitere Jahre. Es ist kurios, dass er Roberts Bruder Gilbert, der wohl etwas ausgeglichener war, für den talentierteren Poeten hielt und erkannte anscheinend nicht, welches enthusiastische Feuer unter der Haut in Robert brannte, wenn er sich selbst nur simpel als „den Sohn eines armen Mannes“ charakterisierte und dessen Fröhlichkeit zeit seines Lebens nur immer einen Silberstreif am wolkenbehangenen Himmel düsterster Melancholie bildete.
Als Murdoch ging, übernahm William neben seiner harten Farmarbeit selbst die schulische Erziehung seiner Kinder. In heutiger Zeit ist es kaum noch nachvollziehbar, welche Selbstdisziplin und Hingabe dabei von Nöten gewesen sein mussten. Er beschaffte sich Bücher wie Salmon’s Dictionary, Derham’s „Physico and Astro Theology“ und Ray’s „Wisdom of God and the Creation“ und machte sie zum Lehrstoff.
Als Robert 13 oder 14 Jahre alt war, schickte William die Brüder Robert und Gilbert für ein Viertel Jahr in die „Parish school of Dalrymple“, 3 Meilen entfernt. Hier eröffnete sich für Robert eine neue Welt und er kam in Kontakt mit den Werken von Richardson, Fielding, Smollett, Hume, und Robertson. Kurz danach erneuerte sein alter Meister Murdoch seine Freundschaft zu den Burness’, als er eine Anstellung als Lehrer für Englisch in Ayr bekam. Er lieh Robert die Werke von Pope und kümmerte sich auf den Wunsch des Vaters auch weiterhin, vor allem um die sprachliche Ausbildung des Jungen. Doch die Zeit, die Robert für diese Ausbildung aufbringen konnte, war begrenzt, insbesondere wenn die Pflichten eines Farmers riefen. Mit fünfzehn bewältigte Robert neben seinen Studien bereits die gesamte Arbeit eines ausgewachsenen Farmers – oder eher umgekehrt.
Mit 15 lag seine große Schaffensperiode noch vor ihm. Auf dem Weg dahin wurde sein Talent von vielen Personen inspiriert und gefördert, durch die Geistergeschichten der Betty Davidson und die Poesie seiner Mutter Agnes Brown, die jakobitische Umgebung seines Großvaters Robert und nicht zuletzt durch die Intelligenz und den aufrechten Willen seines Vaters William Burness. Also lasst uns das Glas auch auf diejenigen erheben, die Robert auf dieser steinigen Straße des Lebens in den ersten Jahren geführt und beeinflusst haben. To Roberts family and William Burness!
Nicht vergessen darf man auch John Murdoch, seinen unbeirrbaren Lehrer, der Robert um 28 Jahre überlebt hat und einen großen Teil seines Lebens später in London zubrachte. Seinem späteren Handeln und seinen Äußerungen nach zu urteilen hat es den Anschein, als wenn er selbst so erstaunt, wie begeistert war über den großartigen Aufstieg seines Lieblingsschülers. Auch ihm haben wir mit Sicherheit einen großen Teil des Robert Burns’ zu verdanken. To John Murdoch!
Sieht man sich nun den hier etwas aus dem Dunkel geholten Weg des Robert Burns an, so ist es schon nicht mehr so verwunderlich, dass „der Sohn eines armen Bauern“ zu einem großen Dichter heranwuchs, der in seinen poetischen Worten all das ausdrückt, was so viele bewegt und was auch deren Leben bestimmt hat und zum großen Teil auch noch unseres heute bestimmt. Deshalb wird er noch heute und sicher auch noch in ferner Zukunft geliebt und verehrt werden, deshalb finden wir uns jedes Jahr und so auch heute hier zusammen
wenn sie auch fliehen, die Minuten voll Vergnügen,
und wie Bienen heim mit Schätzen fliegen.
Ladies and Gentlemen, be up on your feet and take a glass in your hand and join me in the toast to Robert Burns – To Robert Burns!